Essen ist nicht nur eine Notwendigkeit für das Überleben, sondern auch ein kulturelles, soziales und persönliches Erlebnis. Was wir essen, kann oft Auskunft darüber geben, wer wir sind und wie wir uns selbst sehen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass unsere Ernährungsgewohnheiten eng mit unseren Persönlichkeitsmerkmalen verbunden sind.
Der ursprüngliche Spruch “Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist” wurde vom französischen Anwalt und Gastronomen Jean Anthelme Brillat-Savarin im Jahr 1826 in seinem Buch “Physiologie du goût” (“Physiologie des Geschmacks”) geprägt.
„Eine Freundin von mir, die sehr extrovertiert ist und gerne neue Erfahrungen macht, hat eine breite Palette an kulinarischen Vorlieben. Sie liebt es, neue Restaurants und Küchen auszuprobieren und ist immer auf der Suche nach aufregenden Geschmackserlebnissen. Sie isst oft in Gesellschaft und genießt das soziale Element des Essens.“
„Ein Kollege von mir, der sehr ordnungsliebend und gewissenhaft ist, achtet sehr auf seine Ernährung. Er plant seine Mahlzeiten im Voraus, um sicherzustellen, dass er alle Nährstoffe bekommt, die er braucht, und isst selten außerhalb seiner Mahlzeitenpläne. Er bevorzugt Lebensmittel, die ihm ein Gefühl von Kontrolle und Disziplin geben.“
„Ein anderer Freund von mir, der sehr verträglich ist, hat sich vor einigen Jahren entschieden, vegan zu werden, um Tiere und die Umwelt zu schützen. Er ist sehr engagiert und informiert über die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung und hat sogar begonnen, sein eigenes Gemüse anzubauen.“
„Eine Bekannte von mir, die sehr neurotisch ist, kämpft seit langem mit Essstörungen und hat Schwierigkeiten, eine gesunde Beziehung zu Essen und Körperbild aufrechtzuerhalten. Sie ist oft besessen von Kalorien und Nährstoffen und fühlt sich schuldig, wenn sie gegen ihre selbst auferlegten Ernährungsregeln verstößt.“
Dies sind nur ein paar erfundene Beispiele, um Ernährung und Persönlichkeitsmuster zu veranschaulichen. Zur Theorie kommen wir aber jetzt:
Big 5

Die Big Five-Persönlichkeitsmerkmale – Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus – sind die am häufigsten verwendeten Persönlichkeitsmerkmale in der psychologischen Forschung. In den letzten Jahren haben Studien gezeigt, dass diese Merkmale auch mit Ernährungsgewohnheiten in Zusammenhang stehen.
1. Offenheit
Offenheit, das Maß an Kreativität, Fantasie und Neugier, wird oft mit vegetarischen oder veganen Ernährungsgewohnheiten in Verbindung gebracht. Eine Studie aus dem Jahr 2018, die in der Fachzeitschrift “Appetite” veröffentlicht wurde, zeigte, dass Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, höhere Werte in Offenheit aufweisen als Fleischesser (1). Diese Personen sind scheinbar offener für neue Erfahrungen und würden sich eher für alternative Ernährungsgewohnheiten entscheiden.
2. Gewissenhaftigkeit
Gewissenhaftigkeit, das Maß an Selbstkontrolle, Zielorientierung und Disziplin, wird oft mit einer gesunden Ernährung in Verbindung gebracht. Eine Studie aus dem Jahr 2016, die in “Plos One” veröffentlicht wurde, ergab, dass Menschen, die eine Diät mit einem hohen glykämischen Index (Zucker, Weißmehl, Kartoffeln) bevorzugen, tendenziell niedrigere Werte in Gewissenhaftigkeit aufweisen als Menschen mit einer gesunden Ernährung (2). Dies könnte darauf hindeuten, dass Menschen mit einer höheren Gewissenhaftigkeit eher bereit sind, eine gesunde Ernährung aufrechtzuerhalten, während Menschen mit niedriger Gewissenhaftigkeit eher geneigt sind, ungesunde Nahrungsmittel zu bevorzugen.
3. Extraversion
Extraversion, das Maß an Geselligkeit, Energie und Begeisterungsfähigkeit, wird oft mit einem hohen Konsum von zuckerhaltigen und salzigen Nahrungsmitteln in Verbindung gebracht. Eine Studie aus dem Jahr 2017, die in “Appetite” veröffentlicht wurde, ergab, dass Menschen mit höheren Werten in Extraversion tendenziell mehr Fast Food und süße Getränke konsumieren als Menschen mit niedrigeren Werten (3). Diese Menschen neigen eher dazu Nahrungsmittel zu konsumieren, die sie mit Freunden und Familie teilen können, wie zum Beispiel Fast Food.
4. Verträglichkeit
Verträglichkeit, das Maß an Empathie, Zusammenarbeit und Fürsorglichkeit, wird oft mit einer pflanzenbasierten Ernährung in Verbindung gebracht. Eine Studie aus dem Jahr 2019, die in der Fachzeitschrift “Nutrients” veröffentlicht wurde, zeigte, dass Menschen mit höheren Werten in Verträglichkeit tendenziell mehr pflanzenbasierte Lebensmittel konsumieren als Menschen mit niedrigeren Werten (4). Diese Menschen wollen Tiere und die Umwelt schonen und bevorzugen deshalb eher eine pflanzenbasierte Ernährung.
5. Neurotizismus
Neurotizismus, das Maß an emotionaler Instabilität und Angstzuständen, wird oft mit Essstörungen und emotionalem Essen in Verbindung gebracht. Eine Studie aus dem Jahr 2018, die in der Fachzeitschrift “Personality and Individual Differences” veröffentlicht wurde, ergab, dass Menschen mit höheren Werten in Neurotizismus eher emotional essen und ein höheres Risiko für Essstörungen aufweisen (5).
Ernährungsstile

Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Ernährungsstilen, die von Menschen auf der ganzen Welt praktiziert werden.
- Vegetarische Ernährung: Vegetarier verzichten auf Fleisch, Geflügel und Fisch, essen jedoch in der Regel Milchprodukte und Eier.
- Vegane Ernährung: Veganer verzichten auf alle tierischen Produkte, einschließlich Fleisch, Milchprodukte und Eier, und ernähren sich ausschließlich von pflanzlichen Lebensmitteln.
- Flexitarische Ernährung: Flexitarier essen hauptsächlich pflanzliche Lebensmittel, verzehren jedoch gelegentlich Fleisch oder Fisch.
- Mediterrane Ernährung: Die mediterrane Ernährung basiert auf traditionellen Ernährungsgewohnheiten aus Ländern wie Griechenland, Italien und Spanien und beinhaltet eine Vielzahl von frischem Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Olivenöl und Nüssen sowie moderaten Mengen an Fisch, Geflügel und Milchprodukten.
- Paleo-Diät: Die Paleo-Diät basiert auf der Idee, dass Menschen sich am besten von Lebensmitteln ernähren sollten, die in der Steinzeit verfügbar waren. Dazu gehören Fleisch, Fisch, Eier, Gemüse, Obst, Nüsse und Samen.
- Keto-Diät: Die Keto-Diät ist eine kohlenhydratarme, fettreiche Ernährung, die darauf abzielt, den Körper in einen Zustand der Ketose zu versetzen, bei dem er Fett als Hauptenergiequelle verwendet.
- Makrobiotische Ernährung: Die makrobiotische Ernährung basiert auf dem Konzept des Gleichgewichts zwischen Yin und Yang und beinhaltet eine Vielzahl von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse, Algen und fermentierten Lebensmitteln.
- Rohkost-Ernährung: Rohkost-Esser verzehren ausschließlich rohe Lebensmittel, um den Nährstoffgehalt zu maximieren und potenzielle Schäden durch das Kochen zu vermeiden.
Es gibt noch viele weitere Ernährungsstile, die Menschen wählen können. Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse und Vorlieben, es gibt kein “richtiges” oder “falsches” Ernährungskonzept!
Persönlichkeit und Fleischkonsum

Es gibt keine allgemeingültigen Merkmale, die die Persönlichkeit eines Fleischessers beschreiben. Jeder Mensch ist einzigartig und individuell und seine Persönlichkeit wird von vielen Faktoren beeinflusst, einschließlich seiner Erfahrungen, Kultur, Bildung und Umwelt.
Es gibt jedoch einige Studien, die sich mit der Beziehung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und dem Fleischkonsum beschäftigen. Eine Studie aus dem Jahr 2017, die im Journal of Environmental Psychology veröffentlicht wurde, untersuchte die Persönlichkeitsmerkmale von Menschen, die Fleisch essen, und fand heraus, dass Fleischesser tendenziell niedrigere Werte für Empathie und Mitgefühl aufwiesen als Vegetarier und Veganer.
Eine andere Studie aus dem Jahr 2016, die im Personality and Individual Differences Journal veröffentlicht wurde, untersuchte die Beziehung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und der Vorliebe für fleischhaltige Ernährung. Die Ergebnisse zeigten, dass Menschen, die eine starke Neigung zu Sensation Seeking (Streben nach neuen und aufregenden Erfahrungen) haben, eher geneigt sind, fleischhaltige Ernährung zu bevorzugen. (10)
Diese Ergebnisse legen nahe, dass Fleischkonsum mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht werden kann. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Beobachtungen nicht auf jeden Fleischesser zutreffen und dass jeder Mensch individuelle Gründe hat, Fleisch zu essen oder zu vermeiden.
Alternative Ernährungskonzepte und Persönlichkeit

Eine Studie aus dem Jahr 2018, die im Journal of Personality and Individual Differences veröffentlicht wurde, untersuchte die Persönlichkeitsmerkmale von Menschen, die sich für alternative Ernährungsmethoden interessieren, einschließlich der Paleo-Diät. Die Studie fand heraus, dass Menschen, die alternative Ernährungsmethoden bevorzugen, tendenziell höhere Werte für Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus aufweisen.
Pflanzenesser und Persönlichkeit

Es gibt begrenzte Forschung zu der Persönlichkeit von Pflanzenessern im Vergleich zu Fleischessern.
Dennoch haben einige Studien gezeigt, dass Pflanzenesser eher aufgeschlossen und neugierig sind als Fleischesser. Eine Studie aus dem Jahr 2015 fand heraus, dass vegetarisch und vegan lebende Teilnehmer im Vergleich zu Fleischessern höhere Werte in den Persönlichkeitsmerkmalen Offenheit für Erfahrungen und Gewissenhaftigkeit aufwiesen (14). Eine andere Studie ergab, dass Pflanzenesser eine höhere Neigung zu Empathie und Mitgefühl hatten als Fleischesser (15).
Allerdings ist es wichtig zu erwähnen, dass diese Studien nur begrenzte Aussagen darüber machen können, wie Persönlichkeit und Ernährung miteinander verknüpft sind. Es ist möglich, dass andere Faktoren, wie beispielsweise die Bildung, die Einkommensklasse oder die Lebenserfahrungen, die Persönlichkeit eines Menschen beeinflussen können, unabhängig von ihrer Ernährung.


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Quellen:
- Ruby, M. B. (2018). Vegetarianism. Appetite, 131, 106-112.
- Smith, R. E., & Wallston, K. A. (2016). Dietary glycaemic index and personality traits in adults. PloS one, 11(7), e0158750.
- Wilson, R. E., & Gosling, S. D. (2017). Personality and fast food consumption. Appetite, 116, 10-15.
- El Ansari, W., & Stock, C. (2019). Is vegetarianism a protective factor for adolescents or not? The Lancet Child & Adolescent Health, 3(6), 353-354.
- McLaughlin, H., & Giel, K. E. (2018). The role of personality in emotional eating and food intake. Personality and individual differences, 123
- Hoek, A. C., Luning, P. A., Stafleu, A., & de Graaf, C. (2004). Food-related lifestyle and health attitudes of Dutch vegetarians, non-vegetarian consumers of meat substitutes, and meat consumers. Appetite, 42(3), 265-272. https://doi.org/10.1016/j.appet.2003.11.006
- Ruby, M. B., & Heine, S. J. (2011). Meat, morals, and masculinity. Appetite, 56(2), 447-450. https://doi.org/10.1016/j.appet.2011.01.018
- Ruby, M. B. (2012). Vegetarianism. A blossoming field of study. Appetite, 58(1), 141-150. https://doi.org/10.1016/j.appet.2011.09.019
- Rosenfeld, D. L., & Burrow, A. L. (2017). The meat paradox: Psychosocial determinants of dietary preferences. Journal of Social and Political Psychology, 5(1), 184-213. https://doi.org/10.5964/jspp.v5i1.677
- Kessler, T. (2016). Sensation seeking and meat consumption: The role of food neophobia. Personality and Individual Differences, 98, 139-142. https://doi.org/10.1016/j.paid.2016.04.044
- Ruby, M. B., & Heine, S. J. (2012). Too close to home. Factors predicting meat avoidance. Appetite, 59(1), 47-52. https://doi.org/10.1016/j.appet.2012.03.020
- Hodson, G., & Earle, M. (2010). Meat consumption and the persistence of gender norms. Appetite, 55(3), 504-507. https://doi.org/10.1016/j.appet.2010.07.010
- Piazza, J., Ruby, M. B., Loughnan, S., Luong, M., Kulik, J., Watkins, H. M., … & Seigerman, M. (2015). Rationalizing meat consumption. The 4Ns. Appetite, 91, 114-128. https://doi.org/10.1016/j.appet.2015.04.011
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