Verdauung ist Biorhythmus

„Was? Du isst nach 17 Uhr Kohlenhydrate?“ Die Nachbarin grunzt spöttisch, während sie ihr Weinglas an die Lippen hält.

„Was passiert denn, wenn ich das mache?, frage ich sie auffordernd.

„Ach Kindchen, abends ist der Darm langsam, da wird nicht mehr so viel verdaut. Das bleibt alles unverdaut bis zum nächsten Tag liegen und gärt so vor sich hin. Das ist total ungesund!“ Sie riss die Augen auf und untermalte ihre Botschaft mit einem Fingerzeig, während ein Tropfen Rotwein das Glas entlang perlte.

Wissenschaftlich gesehen war das natürlich B**ls&!t. Es gibt keine eindeutigen Beweise dafür. Es gibt sowohl Studien, die es belegen und welche, die es widerlegen. Der Körper ist aber in der Lage, Nahrung zu jeder Tageszeit effizient zu verdauen und Nährstoffe aufzunehmen. Das ist ein individueller Faktor. Die Verdauungsgeschwindigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art der Nahrung, der individuellen Stoffwechselrate und der gesamten Zusammensetzung der Mahlzeit. Und, ob etwas gut vertragen wird, ist ebenfalls individuell und kann nicht generalisiert werden.

Womit die Nachbarin aber recht haben könnte, ist der Beweis, dass die Verdauung vielmehr als nur ein mechanischer Vorgang ist – sie ist ein komplexer Biorhythmus, der eng mit unserem Körper und unseren biologischen Uhrwerken verbunden ist.

Unser Körper ist ein erstaunliches Zusammenspiel von verschiedenen Rhythmen und Zyklen. Ein solcher Rhythmus ist der sogenannte zirkadiane Rhythmus, auch bekannt als die „innere Uhr“ unseres Körpers. Dieser Rhythmus steuert viele unserer biologischen Funktionen, einschließlich des Schlaf-Wach-Zyklus und der Hormonproduktion. Und auch die Verdauung unterliegt diesem zirkadianen Rhythmus.

Der zirkadiane Rhythmus

Der zirkadiane Rhythmus beeinflusst verschiedene Aspekte der Verdauung:

1. Produktion von Magensäure – die Produktion von Magensäure in den Morgenstunden ist besonders hoch, um die Verdauung der Mahlzeiten des vorherigen Tages abzuschließen. Im Laufe des Tages nimmt die Magensäureproduktion ab, um nachts auf einem niedrigen Niveau zu bleiben.

2. Aktivität der Verdauungsenzyme – die Amylaseproduktion erreicht normalerweise ihren Höhepunkt während des Tages, wenn wir aktiver sind und mehr Energie benötigen. Das heißt ein Frühstück mit Kohlenhydraten wäre passend. Mittags sind Enzyme für die Fette, Proteine und Kohlenhydrate vorhanden, d.h. eine Mahlzeit mit allen Makros bietet sich zum Mittagessen an. Abends nimmt die Produktion ab, daher bietet sich eine leichte Proteinquelle an. Aber: Enzyme reagieren unmittelbar auf die Nahrung. Es können individuelle Unterschiede in der Enzymproduktion und der Tagesrhythmik bestehen. Einige Menschen können feststellen, dass sie bestimmte Nahrungsmittel zu bestimmten Tageszeiten besser verdauen können, basierend auf ihrem individuellen Stoffwechsel und Verdauungssystem.

3. Motilität des Darms – der Darm bewegt sich in rhythmischen Wellen, um den Nahrungsbrei entlang des Verdauungstrakts zu transportieren. Störungen dieses rhythmischen Musters können zu Verdauungsproblemen wie Blähungen, Verstopfung oder Durchfall führen.

Tipps für einen gesunden Biorhythmus der Verdauung

1. Durch regelmäßige Mahlzeiten wird der Körper auf eine konstante Nahrungsaufnahme zu bestimmten Zeiten trainiert. Das unterstützt den Biorhythmus der Verdauung, indem es dem Körper ermöglicht, sich auf die Verdauungsprozesse vorzubereiten. Der Körper kann Enzyme und Magensäure entsprechend freisetzen, um die Nahrung effizient zu verdauen.

2. Gründliches Kauen ist der erste Schritt in der Verdauung. Es zerkleinert die Nahrung und vermischt sie mit Speichel, der Enzyme enthält, um den Abbau von Kohlenhydraten zu beginnen. Durch langsames Essen und gründliches Kauen unterstützt du den Biorhythmus der Verdauung, indem du den Verdauungsprozess erleichterst und die Nährstoffaufnahme verbessern kannst.

3. Ballaststoffe sind unverdauliche Kohlenhydrate, die in Pflanzen vorkommen. Sie haben eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Darmbewegungen und der Förderung einer gesunden Verdauung. Ballaststoffe erhöhen das Stuhlvolumen, erleichtern die Darmpassage und unterstützen den Biorhythmus der Verdauung, indem sie Verstopfung vorbeugen und die Darmgesundheit fördern.

4. Probiotika sind nützliche Bakterien, die die Darmflora unterstützen und eine gesunde Verdauung fördern können. Sie helfen bei der Verdauung von Nahrungsmitteln und können die Aufnahme von Nährstoffen verbessern. Präbiotische Lebensmittel enthalten Ballaststoffe, die als Nahrung für diese probiotischen Bakterien dienen. Die Kombination von Probiotika und präbiotischen Lebensmitteln unterstützt den Biorhythmus der Verdauung, indem sie das Gleichgewicht der Darmflora fördern.

5. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig für eine reibungslose Verdauung. Wasser hilft, den Nahrungsbrei zu verdünnen, Nährstoffe aufzunehmen und Abfallprodukte zu entfernen. Es unterstützt den Biorhythmus der Verdauung, indem es die Darmbewegungen erleichtert und Verstopfung vorbeugt.

Die Erkenntnis, dass die Verdauung ein Biorhythmus ist, hat wichtige Konsequenzen für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Ein gestörter Biorhythmus der Verdauung kann zu einer Vielzahl von Verdauungsproblemen führen, die sich negativ auf unsere Lebensqualität auswirken können. Daher ist es wichtig, auf unsere biologischen Uhren zu achten und einen gesunden Lebensstil zu pflegen, der mit den natürlichen Rhythmen unseres Körpers in Einklang steht.

Quellen

1) Zirkadiane Rhythmen: Die innere und die äußere Uhr: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2002/daz-24-2002/uid-7855

2) Beeinflusst Melatonin den Glukosestoffwechsel und zirkadiane Rhythmen?–Eine klinische Studie an 24 Nachtschichtarbeitern: https://scholar.google.de/scholar?hl=de&as_sdt=0%2C5&as_vis=1&q=studie+zirkadianer+rhythmus+auf+verdauung&btnG=#d=gs_qabs&t=1687026007446&u=%23p%3DQIQPP_6PQ1IJ

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